Wann weißt du, dass ein Text gelungen ist?

Transkript zum Podcast Inspiriert Schreiben. Folge 6

Wann weiß ich, dass eine Textstelle gelungen ist? Und wenn sie mir gefällt, kann ich mich darauf verlassen, dass mein Urteil richtig ist? Wenn du dich das schon mal gefragt hast, dann ist das heute die richtige Folge für dich.

Hallo und herzlich willkommen. Ich bin Ulrike Hartmann, Autorin und Schreibmentorin. In diesem Podcast lernst du, deinen Weg als Schriftstellerin zu finden und deine eigene kraftvolle Schreibroutine aufzubauen. Und das heutige Thema ist: Wann weißt du, dass deine Textstelle gelungen ist?

Ich glaube, es gibt keine Frage, die Schreibende mehr beschäftigt. Ist mein Text gut oder ist er schlecht? Und wie kann ich das objektiv feststellen? Denn auch wenn wir natürlich davon reden, dass uns unser Text gefallen muss, so schreiben wir ja nicht in den luftleeren Raum, sondern wir wollen, dass unsere Texte gelesen werden. Und ob ein Text gut ist oder nicht, hängt immer damit zusammen, ob ich mich verständlich machen kann. Kommt das an, was ich ausdrücken möchte?

Ich finde dieses Thema unglaublich spannend. Ich habe auf meiner Website eine kleine Reihe mit Interviews veröffentlicht mit Autor:innen, die ich frage, wie sie ihre Bücher schreiben. Und eine Frage lautet genauso wie das Thema dieser Folge: Wann weißt du, wann eine Textstelle gelungen ist? Und so unterschiedlich sie alle schreiben, so einheitlich ist die Antwort. Und auch wenn sie natürlich völlig unterschiedlich formuliert wurde. Aber alle sagen: Es ist ein Gefühl. Mein Gefühl, sagt es mir. Manchmal werden auch noch Leser:innen erwähnt oder Testleser:innen, die die letzte Sicherheit geben. Aber das eigene Gefühl, das ist das allererste.

Doch was ist, wenn mein Gefühl mich trügt? Wenn ich das Gefühl habe, ich kann das gar nicht. Ich kann das überhaupt nicht beurteilen. Was mache ich denn dann?

Deshalb möchte ich heute dieses Gefühl einmal näher mit dir anschauen und es ein wenig auseinanderfremeln. Ich finde, das ist gar nicht so leicht. Aber ich bemühe mich, das so einfach wie möglich aufzudröseln, weil ich es unglaublich spannend finde. Und ich glaube, letztendlich ist genau diese Geschichte zwischen diesen Gefühlen, die ich gleich mit dir besprechen möchte, ist sie genau das, was mich am Schreiben so fasziniert. Weil es im Prinzip sehr komplex ist.

Also wir haben zum einen ein Sprachgefühl und dann haben wir ein Gespür. Das sind diese beiden Begriffe, die ich im Laufe meiner Kurse und Workshops für mich immer weiter entdeckt habe. Und vor allem, wenn ich selber schreibe, für mich wirklich gut benutzen kann. Fangen wir an mit dem Gespür.

Auf der Spur

Ich habe ja das letzte Mal davon gesprochen, wie wichtig dieses Gespür ist für dich, für dein Schreiben, damit du weißt, wie du ins Erzählen kommst. Wenn du aufpasst, wann du ins Schreiben kommst, also was es ist, was dich ins Schreiben bringt und wann nicht, dann ist das schon mal ein unglaublich gutes Werkzeug, um Autorin zu sein.

Aber was ist denn eigentlich dieses Gespür? Gespür ist ein allgemeines, ein intuitives Verständnis oder, wenn du willst, eine innere Wahrnehmung, die oft nicht bewusst analysiert wird. Es ist ein Gefühl für die richtigen Entscheidungen in einer bestimmten Situation, ohne dass man das rational erklären kann.

Zum Beispiel: das Gespür für dich selbst, das Gespür für die eigenen Bedürfnisse. Was brauchst du, was wünschst du? Wenn du das spürst, dann bist du im wahrsten Sinne des Wortes auf der Spur. Und in Bezug auf das Schreiben könnte das bedeuten, du weißt, was du gerade ausdrücken möchtest, was du fühlst und wie du das in Worte fassen kannst.

Für deine Geschichte und deine Figuren ist das Gespür unglaublich wichtig. Dass du ein Gespür für die Figuren entwickelst, für die Spannung, für das richtige Timing, für eine Wendung, für die Entwicklung insgesamt oder auch für die Stimmung in einer Szene. Das Gespür ist ein wichtiges Werkzeug beim Schreiben einer Geschichte. Und unser Gespür ist ganz eng mit unseren fünf Sinnen verbunden. Über unsere Sinne nehmen wir auch subtil auch die kleinsten Nuancen und auch ohne, dass du das weißt, aus unserer Umgebung wahr. Durch die Zusammenarbeit dieser Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen), dieser Verknüpfung mit unserer inneren Wahrnehmung und unserer Intuition, interpretieren wir ganz unbewusst.

Das ist dann kein Gefühl, keine Emotion, sondern eine feine Wahrnehmung.

Das Sprachgefühl

Und dann haben wir, wenn wir vom Schreiben reden, natürlich das Sprachgefühl. Der Begriff Sprachgefühl ist eigentlich verwirrend, weil es den Eindruck erweckt, es handele sich um ein Gefühl im emotionalen Sinne, was aber gar nicht zutrifft. Du reagierst ja nicht mit Emotionen, wenn ein Satz falsch klingt, es sei denn natürlich mit Ärger. Tatsächlich ist das Sprachgefühl auch ein Gespür, aber der Unterschied zwischen Gespür und Sprachgefühl ist wichtig, auch wenn er sehr subtil ist. Denn beide Begriffe beziehen sich auf Wahrnehmung und Sensibilität, aber sie betreffen ganz unterschiedliche Aspekte des Schreibens und der Kommunikation.

Während Gespür, wie gesagt, ein allgemeines, intuitives Verständnis oder eine innere Wahrnehmung ist, die oft nicht bewusst analysiert wird, ist Sprachgefühl eine feine, intuitive Wahrnehmung und ein inneres Wissen, wie Sprache funktioniert. Es ist das Wissen darüber, wie man Sprache effektiv und ästhetisch ansprechend einsetzt. Sei es durch die Wahl der richtigen Worte oder die richtige Satzstruktur oder die bewusste Steuerung von Klang, von Rhythmus oder von Ton. Es ist dieses Verständnis für Sprache und ihre Struktur. Und ich möchte gleich vorweg sagen: Ich habe in meinen Kursen und Workshops noch nie erlebt, dass jemand kein Sprachgefühl hätte. Wer schreiben will, hat meines Erachtens immer schon ein Sprachgefühl. Das ist ähnlich wie bei einem Chor. Wer völlig unmusikalisch ist, der geht eigentlich äußerst selten zum Singen in einem Chor.

Nehmen wir mal ein Beispiel. Nimm den Satz „Der Regen trommelte leise auf das Dach.“ Du weißt instinktiv, dass dieser Satz in einem ruhigen Moment einer Geschichte den richtigen Klang hat, während ein einfacher Satz wie „Es regnete“ weniger das Gefühl und die Atmosphäre vermittelt.

Oder: Du erkennst intuitiv den Unterschied zwischen einem abgehackten, unruhigen Satz und seiner Wirkung, und einem fließenden, harmonischen Satz und wann welcher in einer Szene angebracht wäre. Du hast also eine Ahnung, wie der Rhythmus und der Klang deiner Wörter wirken.
Sprachgefühl beschreibt also dieses intuitive Verständnis dafür, wie man Sprache in unterschiedlichen Kontexten passend einsetzt, ohne dass man sich zwangsläufig auf Regeln berufen muss. Es ist eine Mischung aus Intuition und Erfahrung.

Was kannst du tun?

So, und nun zurück zu den Fragen dieser Folge: Wann weißt du, dass eine Textstelle gelungen ist und was ist, wenn dein Gefühl dich trügt oder wenn es nicht stark ausgebildet ist, wenn du einfach nicht weißt, ob der Text gut ist oder nicht.

Und der Trick ist hier, und das ist so schön, dass es klappt: Wir können unser Sprachgefühl und unser Gespür fördern. Wenn wir das schaffen, dann trügt dich dein Gefühl nicht mehr. Und es ist auch gar nicht so schwer. Es braucht nur tatsächlich Zeit und Übung.

Fangen wir an mit dem Sprachgefühl. Dein Sprachgefühl kannst du fördern, indem du natürlich liest, vielfältig liest.

  1. Lies unterschiedliche Textsorten von Literatur und Sachbüchern bis zu Gedichten oder auch journalistischen Artikeln. Es gibt ganz hervorragende Reportagen. Unterschiedliche Schreibstile erweitern deinen Blick für Sprachmuster und Ausdrucksweisen.
  2. Schreibe. Schreibe regelmäßig und experimentiere mit verschiedenen Stilen, mit verschiedenen Stimmen. Denn durch das aktive Gestalten von Texten lernst du ganz nebenbei, welche Formulierungen gut funktionieren und welche nicht.
  3. Schau genau hin, analysiere. Nimm Texte, die dich beeindrucken und schau sie dir genau an, wie der Autor oder die Autorin diesen Text aufgebaut hat. Du musst keine Germanistin sein, so wie ich, um das zu entdecken. Wenn du da genau hinschaust, welche Verben, welche Struktur, welche Stilmittel, dann kannst du daraus sehr viel lernen. Frag dich zum Beispiel, warum bestimmte Sätze dich besonders ansprechen. Es hilft übrigens auch das Überarbeiten deiner eigenen Texte, um Schwächen zu erkennen und zu verbessern.
  4. Nimm wahr, was andere sagen. Hör aufmerksam zu, wenn andere sprechen. Sei es in Vorträgen, in Podcasts oder in alltäglichen Gesprächen. Unterschiedliche Dialekte, Redewendungen und Sprachbilder können dein Gefühl für Sprache schärfen. Und es macht auch solche Freude, das zu entdecken. Und du wirst sehen, fast alle Menschen haben ein eigenes Sprachmuster. Achte mal drauf, was für Bilder sie verwenden.
  5. Hol dir Feedback. Tausch dich mit anderen aus, die ebenfalls Freude an der Sprache haben und auch am Schreiben. Du kannst auch in Schreibgruppen gehen oder gönn dir ein Feedback eines Experten, einer Expertin. Und das muss auch gar nicht so teuer sein. Menschen wie ich, also Schreibmentoren und Coaches, die geben auch Einzelstunden. Und das kann dir die Augen für deinen gesamten Schreibprozess öffnen.
  6. Sprachspiele und natürlich Übungen. Spiele wie Scrabble, wie Wortassoziation oder kreative Schreibaufgaben, die fördern dein Gespür für die Wortwahl und den Ausdruck.

Und das alles in diesem Gesamtpaket, das fördert dein Sprachgefühl.

Und dein Gespür?

Was dein Gespür betrifft: Wenn du das nächste Mal etwas spürst beim Schreiben, nimm es ernst. Tu es nicht einfach ab. Wenn etwas nicht gut klingt oder du es schlecht findest, dann frag dich, warum. Warum stört es nicht? Und vor allem, geh nicht gleich ran und sag: Oh, ich kann einfach nicht schreiben! Sondern geh da eher wie ein Detektiv ran, wie eine Detektivin, wie ein Forscher. Wenn du zum Beispiel eine Schreibblockade hast, dann denk nicht: So ein Mist, ich habe eine Schreibblockade, ich kann einfach nicht mehr schreiben. Sondern versuche diese Schreibblockade als Chance zu sehen. Worauf will mich jetzt diese Blockade hinweisen? Was fehlt in meinem Text? Wo habe ich mich vielleicht verirrt? Wo muss ich etwas anderes einbauen? Was ist da noch nicht ganz rund?
Mit anderen Worten, forsche nach und spüre nach. Und dann, ganz wichtig, für das Gespür: Entwickle deine Sinne. Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen. Das alles dient auch deinem Gespür für das Schreiben und natürlich deinem Schreiben selbst. Denn meines Erachtens sind die schönsten Texte immer die, die unsere Sinne bedienen. Und wie willst du Sinne bedienen, wenn du deine eigenen nicht mehr wahrnimmst?

Ich möchte in den nächsten Folgen noch mehr zu den Sinnen erzählen, aber erst reden wir in der nächsten Folge nochmal über Testleser:innen und Leser:innen im Allgemeinen, weil, wie ich ja schon oben erzählte, sie uns auch sagen können, ob unsere Texte so wirken, wie wir es gerne hätten. Und das kann funktionieren, aber ich möchte dir ein paar Hinweise geben, die dir vielleicht viel Frust und Ärger ersparen.

Auf meiner Website habe ich dir eine Übung hochgeladen, wie du deine kreativen Schreibkräfte noch etwas entwickeln kannst und vielleicht hast du Spaß dabei.

Das war es schon wieder wie heute. Die Erkenntnis: Wann weißt du, dass eine Textstelle gelungen ist? Du weißt es, weil es dir dein Gefühl sagt.
Und wie kannst du dein Gefühl fördern? Indem du einerseits dein Gespür für dich und deine Geschichten und deine Figuren entwickelst, und andererseits dein Sprachgefühl förderst.

Ich würde mich sehr freuen, wenn du heute etwas für dich mitnehmen konntest. Und ich würde mich natürlich total freuen über einen Daumen hoch, einen kleinen Stern oder ein neues Abonnement. Ich weiß nicht, ob du es schon gesehen hast, aber du kannst jetzt auch auf Spotify Kommentare hinterlassen und auf YouTube natürlich sowieso.

Ich würde mich freuen, wenn du in zwei Wochen wieder dabei bist.

Bis dahin ein gutes Schreiben, hoffentlich mit viel Sprachgefühl und Gespür für deine Geschichte und für dich selbst.

Alles Gute,

deine

Ulrike Hartmann