Finde deinen Schreibrhythmus
Transkript zum Podcast Inspiriert Schreiben. Folge 12
Alle Autoren und Autorinnen reden von Schreibroutinen: Wie finde ich für mich die richtige Routine?
Warum ich lieber von Schreibrhythmus als von Routine rede und wie du ihn findest, erfährst du in dieser Episode.
Hallo und herzlich willkommen bei Inspiriert Schreiben. Ich bin Ulrike Hartmann, Autorin und Schreibmentorin und hier dreht sich alles um Inspiration, um Lebendigkeit und die Freude am kreativen Tun. Und heute sprechen wir über etwas, das sehr entscheidend für das Schreiben ist: Wie findest du beim Schreiben die richtige Routine?
Ich habe, das will ich gleich vorweg sagen, als ich diese Episode vorbereitet habe, gar nicht gewusst, wie tief ich da in diese Thematik einsteige und wie viel ich noch erkennen sollte, was ich vorher gar nicht wusste. Was ich aber weiß: Ich rede inzwischen lieber von Schreibrhythmen als von Schreibroutinen, denn wenn ich von Routinen rede, ist da für mich immer so ein Gefühl von Schema F, von Mustern oder Plänen, die man für alle abrufen kann. Und daran glaube ich ja schon mal nicht. Und zweitens deckt der Begriff Routine für mich gar nicht die Tiefe ab, was beim Schreiben passiert. Routine hat immer sehr viel mit Strukturen zu tun, mit Organisation, mit einem Zeitplan, vielleicht noch mit einem Raum, den ich mir schaffe.
Hör zu auf

Aber für mich geht es beim Schreiben sehr viel tiefer. Es geht für mich da um etwas Körperliches geradezu. Etwas, das mir oft gar nicht bewusst wird. Und vielleicht kannst du mir bei diesen Gedanken auch folgen. Es geht um den Puls beim Schreiben, um den Atem zwischen den Worten. Und das Schwingen, das entsteht, wenn du dich ganz auf den Text einlässt.
Dieser Schreibrhythmus ist so individuell wie die Menschen. Denn er spiegelt ja nicht nur dein Schreiben, sondern auch, wie du bist, wie du lebst, wie du fühlst und wie du im Takt bist. Genau dieses lebendige, körperliche Leben, dieser innere Takt, der ist es, der dein Schreiben letztendlich trägt.
Der Rhythmus kann bei jeder und jedem völlig anders aussehen als bei anderen Schreibenden, die du so kennst. Deswegen macht es überhaupt keinen Sinn, sich zu vergleichen.
Warten auf die Muse
Was aber auf jeden Fall ein Fehler ist, oder in den meisten Fällen: Warte nicht darauf, dass dich die Muse küsst. Geh nicht erst an den Schreibtisch, wenn du das Gefühl hast, heute bist du inspiriert. Ich kann dir versichern, andersherum wird ein Schuh draus.
Du wirst sonst viel zu selten an den Schreibtisch eilen. Setz dich hin, fang an zu schreiben und fühl dich rein in deine Sprache, in deinen Takt.
Für mich ist das immer so ein bisschen wie beim Laufen. Ich vergleiche das Laufen immer sehr gerne mit dem Schreiben. Ich habe letztes Mal gesagt, das Schreiben eines Romans ist wie ein Marathon. Ich weiß nicht, ob du das schon mal am eigenen Leib erfahren hast: Du möchtest anfangen zu joggen, und am Anfang ist es unglaublich schwer. Du bist so unsportlich, und es gibt Tage, da denkst du: nie im Leben schaffe ich die erste Runde. Und auf einmal findest du deinen Rhythmus, und du läufst und läufst und läufst besser, als du je zuvor gelaufen bist.
Und genau so ist es oft beim Schreiben. Wie beim Laufen eines Marathons musst du mit deinen Kräften haushalten, aber vor allem musst du dein Tempo finden. Wenn du zu schnell und zu viel schreibst, bist du ganz schnell außer Atem.
Wenn du aber zu langsam schreibst und immer nur wartest, dass du endlich in die Kraft kommst, dann geht das Schreiben quasi an dir vorüber.
Ich finde es sehr interessant, dass eigentlich selten darüber geredet wird, wie schnell jemand schreiben sollte, um sich wohlzufühlen. Wie viele Sätze kann ich zum Beispiel in einer halben Stunde schreiben, damit ich für mich das Gefühl habe, dass es angenehm ist, dass ich da im Flow bin, dass ich das auch länger durchhalten kann? Brauche ich das Schreiben vielleicht langsamer oder schreibe ich lieber schnell, damit ich zufrieden bin und damit ich in den Flow komme?
Meiner Erfahrung nach glauben die meisten Menschen, dass sie noch langsamer schreiben müssen und jeden einzelnen Satz so lange durchkauen und darüber sinnieren müssen, bis er gut ist und sich damit komplett die Freude am Tun verderben.
Es braucht einfach ein gewisses Tempo, damit ich mich wohlfühle, und dieses Tempo muss ich finden.
Hilfsmittel für dich
Und damit kommen wir zum praktischen Teil: Wie kann ich denn meinen Rhythmus finden?
Zuerst einmal heißt es einfach wirklich experimentieren und forschen und wahrzunehmen, wie ich mich beim Schreiben entwickle, wie ich mich fühle.
Ich möchte dir aber ein paar Aspekte mit auf den Weg geben, die du beobachten kannst, die wirklich wichtig sind, wenn du deinen Rhythmus finden möchtest.
Der erste Punkt ist dein körperlicher Rhythmus, also dein Biorhythmus. Wann bist du körperlich wach und inspiriert? Wann brauchst du Pausen? Wann bist du müde und wann drehst du auf? Diese berühmte Frage: Bist du ein Morgen- oder ein Nachtmensch?
Und dann ganz natürlich: Wann passt eigentlich das Schreiben in deinen Alltag? Wie ist dein Alltagsrhythmus? Wann hast du überhaupt Zeit und Ruhe, dich auf das Schreiben zu konzentrieren?
Drittens: Wann hast du Zeit, nebenher nichts anderes zu machen? Ich weiß ja nicht, ob du jetzt ein Mensch bist mit stahlharten Nerven, aber wenn ich nebenher das Handy anhabe, E-Mails eingehen, das Telefon klingelt oder Personen in mein Zimmer stürmen, weil sie irgendetwas wissen wollen, kann ich nicht mehr schreiben. Ich bin komplett rausgerissen. Das mag für dich anders sein. Es ist nur wichtig, dass du das für dich weißt und dass du dir den nötigen Raum schaffst.
Die verschiedenen Phasen des Schreibprozesses
Und aus diesen Rhythmen ergibt sich dein ganz grober, kreativer Rhythmus. Der ist dann aber auch wieder unterschieden, denn wir haben ja, das haben wir auch schon besprochen, verschiedene Phasen in dem Schreibprozess.
Da ist zum einen die Phase des Spielens, des kreativen Ausprobierens. Also, wenn wir so wollen, die Grille vom letzten Mal. Wann hast du am besten Zeit für die Ideenfindung, für das Spielen, für das Loslassen? Wann kannst du am besten einfach nur in deinem Kopf über Ideen sinnieren oder sie in dir aufsteigen lassen?
Das kann eine Zeit sein, in der du spazieren gehst, aufräumst, bügelst, backst, strickst oder irgendetwas anderes machst, wo du einfach nicht deinen Kritiker ans Ruder lässt, sondern einfach alles in dir aufsteigen lassen kannst, was in dir so hochkommt. Eine Zeit, in der du abschalten kannst und deine Ideen blühen können, ohne dass du sie gleich analysierst und zerflückst.
Du brauchst diese unbeobachtete Spielwiese deiner Kreativität. Das ist so wichtig.
Und dann: Welcher Zeitpunkt ist am besten, um sich wirklich direkt an den Text zu begeben? Wann bist du so konzentriert? Wann hast du die Fähigkeit, dich auch in deine Figuren reinzufühlen? Das ist ein sehr empathischer Prozess.
Und genau das ist anstrengend. Du bist quasi in einer anderen Welt. Wann findest du für diese Prozesse die nötige Zeit? Wann findest du am besten den Takt deiner Worte?
Und um es noch mal zu sagen: Warte nicht darauf, dass dich die Muse küsst. Es geht nur darum, dass du dir Raum und Zeit schaffst, um dies tun zu können.
Und es gibt noch eine dritte Phase, die des Kritikers, der Überarbeitung. Wann kannst du am besten überarbeiten? Für diese Phase brauchst du nicht empathisch zu sein.
Du musst nur wach und klar sein und Fehler sehen können. Du musst zum Beispiel nicht fühlen, was deine Figuren fühlen, sondern du musst beobachten können, ob deine Figuren die Wirkung haben, die du dir gewünscht hast. Das ist eine analytische Phase.
Wann hast du am besten Raum und Zeit für diese analytische Phase?
Experimentieren und beobachten
Ich möchte dich einladen: Schau doch mal eine Woche oder zwei und beobachte dich. Notiere, wann du Zeit zum Schreiben hast und beobachte, wie du dich dabei körperlich fühlst. Bist du wach? Bist du müde? Achte darauf, wie leicht oder schwer dir das Schreiben in dieser Zeit fällt.
Schreibe auch auf, ob es Phasen gab, in denen du besonders inspiriert warst, also dein kreativer Rhythmus, oder in denen du mehr Ruhe brauchst (der emotionale Rhythmus), oder ob es Phasen gab, wo du einfach mal nur Korrektur lesen wolltest. Und dann schreib dir auf, was dir bei deinem Rhythmus geholfen hat. Was hast du getan, um in diesen Rhythmus zu kommen?
Es gibt so viele Hilfsmittel, wie du dich in den Rhythmus einschwingen kannst. Ich habe hier ein paar Beispiele für dich zusammengestellt, aber ich habe dir auch sehr viel mehr in einem PDF auf meiner Website hochgeladen. Ich finde es spannend, mit diesen Hilfsmitteln zu arbeiten, weil es dir hilft, einfache Experimente zu starten.
Du könntest zum Beispiel mit der Zeit experimentieren, morgens schreiben, abends schreiben oder vielleicht lieber am Mittag, kleine Schreibinseln in der Pause. Oder aber vielleicht schreibst du lieber wochenweise oder sogar mehrere Wochen im Jahr. Das kannst du alles herausfinden, was für dich am besten ist.
Viele Schreibende experimentieren mit der Menge oder der Form, sie geben sich Wortziele. Du sagst zum Beispiel: Ich schreibe 300 oder 500 Worte, oder ich schreibe zwei Seiten, eine Seite, was immer du möchtest.
Eine weitere Möglichkeit ist, dass du nach Stimmung oder Energie schreibst, dein Flow-Fenster beobachtest, oder du gehst nach Stimmung. Zünde dir eine Kerze an, trinke einen besonderen Tee, gehe vielleicht vorher spazieren – also Rituale, die dich an den Schreibtisch führen.
Ich kann dir sagen: Wenn du da mit Neugier und Forschergeist rangehst, kann es richtig Spaß machen, herauszufinden, wie du dich selbst beim Schreiben am besten unterstützen kannst. Ich habe das mal über Monate für mich selbst gemacht und war total überrascht, was ich alles rausgefunden habe, was mir gut tut und was ich brauche.
Aber: Ich erzähle dir das jetzt nicht, weil das bei mir völlig anders sein kann als bei dir. Du hast sicher gemerkt, dass ich auch in der letzten Folge gar keine Angaben gemacht habe, wie viel du tatsächlich schreiben sollst oder wie viele Pausen du dir einräumen solltest, als ich versucht habe, die Frage zu beantworten, wie faul ich eigentlich als Kreative sein kann. Und das habe ich ganz bewusst nicht gemacht, weil ich das nämlich nicht weiß. Das kann dir kein anderer Mensch sagen, weil das eine sehr persönliche Entscheidung ist.
Nur du kannst wissen, was der richtige Rhythmus ist, der richtige Zeitrahmen und der richtige Zeitpunkt.
Was man aber sagen kann: Diese Rhythmen helfen uns, ins Schreiben zu kommen. Und wenn du deinen Rhythmus entdeckst, kannst du daraufhin Routinen entwickeln, also Strukturen aufbauen. Du kannst dir einen Plan machen. Und Routinen wiederum helfen dir beim Schreiben ungemein.
Denn das ist ein bisschen so wie Zähneputzen.
Routinen etablieren
Stell dir mal vor, du würdest dich jeden Morgen und jeden Abend neu entscheiden müssen, ob du jetzt deine Zähne putzen willst und wie lange. Dieser Entscheidungsprozess und vielleicht der Widerstand gegen das Putzen noch und nöcher würden dir mehr Kraft rauben, als das Putzen an sich. Das Zähneputzen fordert dir keine Kraft mehr (also zumindest hoffe ich das jetzt mal bei dir), weil du es einfach gekonnt in deinen Alltag eingebaut hast.
Du machst das ganz natürlich, ganz selbstverständlich. Da gibt es keine Widerstände mehr, und du stellst auch keine großen Überlegungen an, ob du dich heute zum Zähneputzen entscheidest oder ob es heute der beste Tag ist zum Zähneputzen oder du dich gar berufen fühlst.
Und genau so ist das mit dem Schreiben.
Schreiben ist eigentlich wie Zähneputzen. 😃
Die Erkenntnis für heute: Ein Schreibrhythmus ist wichtig, weil es dir das Schreiben enorm erleichtert. Deinen persönlichen Schreibrhythmus zu finden bedeutet, dir selbst zuzuhören, dich selbst wahrzunehmen und dich auch wirklich ernst zu nehmen. Erforsche dich, beobachte dich.
Das kann großen Spaß machen, und ich kann dir versprechen, wenn du deinen Schreibrhythmus findest, dann wird das Schreiben flüssiger, es wird leichter und freudvoller. Es wird schlicht beglückender. Entspannen und anspannen – die Grille und die Ameise in einem ganz gesunden Wechsel.
Das war es schon wieder für heute. Ich hoffe, du hast etwas für dich mitgenommen. Hinterlass mir gerne einen Kommentar oder ein Like auf dem Portal deiner Wahl und schreib mir auch gerne, wenn du noch eine andere Idee für deinen Schreibrhythmus hast. So etwas interessiert mich ja immer brennend.
Und natürlich freue ich mich, wenn du den Podcast abonnierst, wenn du es noch nicht getan hast.
Bis zum nächsten Mal.
Ich wünsche dir ein gutes Schreiben.
Deine
Ulrike Hartmann

