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Ich habe heute morgen etwas auf Social Media gelesen, was mich verstört hat. Da hatte jemand großen Kummer und die Frau fühlte sich deswegen offensichtlich als Versagerin. Als wenn sie es nicht schaffen würde, ein glückliches Leben zu führen. Erfolg und Misserfolg, Glück und Unglück – es liegt alles in unserer Hand, nicht wahr? Alle anderen schaffen es doch auch.
Und da musste ich spontan einen Text schreiben, den ich hier auch gerne in leicht veränderter Form veröffentliche, weil ich immer wieder fasziniert bin, was mich das Schreiben von Geschichten lehrt.
Was ist eine gute Geschichte? Und was hat das mit unserem Leben zu tun?
Nur da, wo es Probleme gibt, wo es Hürden, Kummer und Risiko gibt, kann die Heldin sich entwickeln und über sich hinauswachsen. Nur da, wo die Angst ist, kann der Held Abenteuer erleben. Eine Geschichte ohne Tiefen ist keine Geschichte. Wo kein Problem ist, gibt es keine Lösung. Solch eine Geschichte ist langweilig. Keiner will das lesen. Weil die Geschichte schlicht nicht echt ist. Das spüren wir sofort, wenn wir den Text lesen. Wenn alle immer nur glücklich in der Sonne sitzen, wirkt das künstlich.
Warum vergessen wir das immer wieder im echten Leben? Es gibt kein Leben ohne Höhen und Tiefen.
Auf Instagram & Co. begegnet sie uns immer wieder, die lächelnde Werbewelt. Dabei ist die echte Welt so viel schöner. Denn auch im Schmerz liegt Schönheit. Es braucht ein bisschen, um das zu sehen, wenn man gerade am Boden ist. Aber wer einmal eine Krise überwunden hat, weiß, wovon ich spreche.
Wenn wir glauben, dass nur ein glückliches Leben ein erfülltes Leben ist, irren wir uns nicht nur, sondern wir setzen uns extrem unter Druck. Wir fühlen uns als Versager*innen. Weil doch alle anderen so glücklich wirken. Aber das sind alles nur Fassaden.
Wie gut, dass wir schreiben können. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum so viele Menschen Romane schreiben möchten. Weil sie dort endlich die Gefühle zeigen können, die wir im echten Leben voreinander verbergen.
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Ich weiß nicht so genau, was ich durch das Schreiben lerne. Ich drücke mein Ich durch das Schreiben aus. Insofern kommen Dinge aus meinem Unterbewusstsein an die Oberfläche, und viel später staune ich dann, was ich da geschrieben habe. Aber um daraus zu lernen, müsste ich meine eigenen Geschichten viel häufiger lesen.
Allerdings kann man durch alles, was man tut, erleidet, beobachtet oder empfindet lernen. Damit das jetzt kein Allgemeinplatz bleibt, muss ich betonen, dass es dazu ein Werkzeug braucht oder eine Einstellung, die zunächst erlernt und trainiert wird. Wer diese Kunst erlernen möchte und noch allzu alt ist (die neue Einstellung zu erlernen kostet ein paar Jahre), dem kann ich meine Werkzeug gerne nennen. Er lautet: „Der Weg ist das Ziel.
Ich habe allein drei Jahre gebraucht, um diesen Satz zu verstehen, weil er leider viel zu oft als Floskel verwandt wird wie „Dabei sein ist alles.“
Die Arbeit des Verstehens kann ich niemandem abnehmen, aber vielleicht hilft folgender Denkanstoß: „Jeder kennt den Satz: „Der Zweck heiligt die Mittel.“ Unter diesem Geist ist schon viel Böses gemacht worden. Wenn ich aber der Meinung bin, dass mein Tun entscheidet, wenn die Mittel meine Ziele adeln, dann habe ich einen Paradigmenwechsel fertig gebracht, der in die Richtung von „Der Weg ist das Ziel“ weist.
Es gibt immer mehrere Ebenen des Verständnisses. 1. Man muss den Satz oder die Aussage verstehen. Aber das reicht für eine Prüfung und nicht weiter. 2. Man muss verstehen, was es für ein mögliche Handlung bedeutet (Handlungswissen). Dann kann man von dem Verstandenen profitieren. 3. Man kann etwas richtig oder tief verstehen. Dann weiß man, was ein Satz für einen persönlich und für andere Menschen bedeutet. Aber das dauert.
Lieber Wolf,
Danke dir für diese tiefen Gedanken. Ich weiß so gut, wovon du redest. Was du da in wenigen Sätzen beschreibst – darüber könntest du vermutlich ganze Bücher schreiben. Und ich vermute, genau das hast du indirekt auch mit deinen Geschichten getan. 🙂 Jedenfalls die Bücher, die ich von dir gelesen habe, spiegeln das, was du hier schreibst.
Bei uns in der Familie gab es immer einen Satz, der vielleicht ein bisschen in diese Richtung geht, wenn ich dich richtig verstanden habe: Wer weiß, wozu´s gut ist!
Da ist der Weg mit drin, und die Erkenntnis, dass wir nicht alles wissen können. Und dass es klug ist, nicht voreilig zu verurteilen. Und dass es immer weiter geht.
Mich lehrt das Schreiben von Geschichten tatsachlich sehr viel über das Leben. Die Tatsache, dass gute Geschichten auf der ganzen Welt verstanden werden, dass es eine Struktur gibt, in der wir uns alle wiederfinden können, über alle Kulturen hinweg, finde ich faszinierend.
Das ist ja nicht selbstverständlich, auch wenn es so scheint. Es könnte ja auch ganz anders sein. Es zeigt – wie auch bei der Musik- , wie wir alle miteinander verbunden sind und dass wir alle im Leben mit denselben Problemen zu kämpfen haben. Die einen mehr, die anderen weniger.
Aber so wie bei den Geschichten ist es wie im Leben: Es gibt einen Konflikt, und wir müssen versuchen, ihn zu lösen. Auf die eine oder andere Weise. Ob laut oder leise. Erst dann hat die Geschichte ihr Ende gefunden. Erst dann hat sie überhaupt erst einen Sinn.
Wer sich für die Diskussion interessiert, die anlässlich dieses Textes im Montségur-Forum im öffentlichen Bereich entstanden ist – bitte hier entlang:
https://autorenforum.montsegur.de/index.php?/topic/25091-blog-was-wir-beim-schreiben-für-unser-leben-lernen-können/