Für wen schreibst du? Und für wen nicht?

Transkript zum Podcast Inspiriert Schreiben. Folge 7

Hast du dich jemals gefragt, für wen du eigentlich schreibst? Und für wen du vielleicht gar nicht schreibst? Wer sind die Menschen, die deine Worte wirklich erreichen sollen? Und welche Stimmen blockieren dich, ohne dass du es merkst?

⚠️ Diese Folge könnte dich emotional belasten. Lies nur weiter, wenn du dich bereit fühlst. Mein Ziel ist es, dich zu inspirieren, und mir ist wichtig, dass du dich dabei sicher fühlst.

Hallo und herzlich willkommen. Ich bin Ulrike Hartmann, Autorin und Schreibmentorin. Und in diesem Podcast lernst du, deinen Weg als Schriftstellerin zu finden und deine eigene, kraftvolle Schreibroutine aufzubauen. Und das heutige Thema ist: Für wen schreibst du? Und für wen nicht?
Das mag ein bisschen seltsam klingen, denn wir wünschen uns doch alle so viele Leser:innen wie möglich. Jedenfalls die meisten von uns. Aber wenn du für alle schreibst, dann blockierst du dich unter Umständen selbst. Und davon möchte ich dir heute erzählen.

Die Wirkung deiner Texte

Die eigenen Texte veröffentlichen, viele von uns finden das ganz großartig und wünschen sich nichts mehr. Aber veröffentlichen kann auch Angst machen. Wir zeigen uns, unsere Texte sind persönlich und auch wenn sie nicht von uns handeln, so machen wir uns doch sichtbar, was wir denken, was wir fühlen. Sie zeigen, was uns beschäftigt und natürlich zeigen sie auch, was wir als Schriftsteller:innen können.

Konstruktive Kritik, die ist eigentlich immer gut. Weil sie hilft. Die kann pieksen und die kann stechen, aber sie ist etwas Gutes, denn da kannst du dich verbessern. Du kannst sehen, was deine Texte bei anderen Menschen auslösen und dann kannst du dir diese konkrete Kritik ansehen und prüfen, ob sie berechtigt ist. Ist sie das, hast du etwas gelernt. Ist sie nicht berechtigt, dann kannst du sie einfach stehen lassen, weil es nur eine Meinung ist, die du aber nicht teilst.

Aber nun stell dir vor, jemand liest deinen Text, der keine Ahnung hat, was Urteile bei einer sensiblen Künstlerseele anrichten können, und einfach mal so um sich haut. Oder jemand liest deine Texte, der oder die dir nicht wohlgesonnen ist. Und für solche Leute sind veröffentlichte Texte, das muss man leider sagen, eine Steilvorlage. Es ist so einfach, schlechte Bewertungen und hämische Bemerkungen zu machen, vor allem, wenn ich mich selbst nicht aus der Deckung wagen muss. Wenn ich sie anonym abgeben kann.
Das Überraschende aber ist, dass Menschen, die dich kritisieren oder die dir mit Unverständnis begegnen, oft aus deinem näheren Umkreis kommen. Das habe ich nicht nur bei mir festgestellt, sondern auch voni vielen anderen Autor:innen gehört. Je weiter weg die Menschen von dir sind, umso wertschätzender sind sie eigentlich.

Ich kenne eine Autorin, die unter Pseudonym schreibt, damit ihre Mutter ihre Texte gar nicht erst entdecken kann. Und das macht sie nicht, weil sie über ihre Mutter schreibt und die Mutter das vielleicht nicht mögen könnte, sondern weil die Mutter generell nichts Gutes an ihrer Tochter lässt und ganz sicher auch ihre Texte zerreißen würde. Ein anderer stellt sich immer seinen Chef vor, der seinen Roman lesen könnte und da bricht ihm der Schweiß aus, weil er den Chef meint. Und wieder eine andere hat immer Angst, dass die Nachbarschaft ihre Texte entdeckt, weil die ein oder andere Person im Text vielleicht zu entdecken ist.
Und dann geht es nicht mehr um die Qualität der Texte, sondern darum, dass Menschen sich erkannt fühlen oder dass Menschen dich bewerten wollen, als Mensch hinter dem Text.

Und es ist manchmal abstrus, was alles passiert, wenn Menschen sich zu erkennen glauben, obwohl von ihnen gar nicht in dem Text die Rede ist. Da reicht schon ein Verdacht, dass jemand nur denkt, er wäre gemeint und dann gibt es zerrüttete Freundschaften und Trennungen und wirklich üble Streitereien. Ich habe schon von Handgreiflichkeiten gehört, bis auf die Ebene runter auf die Kinder der Leser:innen und der Schriftsteller:innen, die sich dann gekloppt haben, weil die einen meinten, die anderen hätten sie schlecht wegkommen lassen. Im schlimmsten Fall landen solche Geschichten vor Gericht, wo dann über Persönlichkeitsrechte verhandelt wird.
Das ist natürlich extrem, aber es kommt häufiger vor, als man denkt. Und abgesehen davon, dass sich sehr viele Menschen offenbar wie Dennis Scheck fühlen, die gerne Bücher per Amazon-Kritik in die Tonne kloppen, muss man halt mit diesen Kritiken umgehen lernen.

Und ich habe schon erzählt: Mir hilft es immer sehr, mir vorzustellen, dass da ein Mensch eine Kritik geschrieben hat, der mir sehr fremd ist. Und dann kann ich das sofort verstehen und abhaken. Oder aber ich kann das nachvollziehen, was da kritisiert wird und dann finde ich die Reaktion extrem hilfreich.

Die Angst im Nacken

Macht das jetzt Mut, was ich da erzähle? Vermutlich nicht. Aber ich finde es ist wichtig, diese Gefahren zu kennen und dir bewusst zu machen, für wen du schreibst und für wen du nicht schreibst. Denn manchmal schreibst du, und du merkst gar nicht, dass du all diese nörgeligen Leser:innen beim Schreiben auch im Sinn hast und dass sie dich blockieren. Dass du die ganze Zeit diese Angst im Nacken hast, dass es jemand liest, dem es nicht gefallen würde. Und dann bist du gehemmt, ohne zu wissen, warum.

Die Lösung ist: Überleg dir, für wen du schreibst und für wen garantiert nicht. Wir haben ja schon mal darüber gesprochen: Es ist sehr leicht dieser Idee zu verfallen, dass dein Text allen gefallen muss. Doch genau hier liegt der Haken: Erstens kann er das gar nicht, weil wir alle so unterschiedlich sind. Und zweitens: Wenn du auch für diejenigen schreibst, die dich schon in deinem Leben blockieren, dann sitzen sie beim Schreiben unbewusst in deinem Nacken und steuern deinen Ton.

Eigentlich ist das ganz normal. Überleg dir mal, wie frei du sprechen kannst, wenn du unter Menschen bist, von denen du dich geliebt fühlst und die du liebst. Und wie frei kannst du sprechen, wenn du das Gefühl hast, dass Menschen im Raum sind, die dir nicht wohlgesonnen sind und die du auch nicht leiden kannst? Wer erzählt schon frei, wenn er oder sie sich kritisch beäugt oder verachtet fühlt?
Achte also darauf, die Grenzen zu setzen. Für wen schreibst du und für wen nicht!

Du hast die Wahl

Meiner Meinung nach ist der schönste Moment, wenn du realisierst, dass dein Schreiben ein Akt der Selbstbefreiung ist. Dass du nicht schreibst, um zu gefallen, sondern um zu leben, um dich auszudrücken, um eine Geschichte zu erzählen, um dich verständlich zu machen, und und und. Es gibt so viele Gründe zu schreiben, aber schreiben, um zu gefallen, ist sicher nicht der beste Grund.

Und jetzt kommt die gute Nachricht: Auf die Leser:innen nach der Veröffentlichung hast du keinen Einfluss. Du kannst dir nicht aussuchen, wer deine Bücher liest. Aber du kannst dir aussuchen, wer dich schon beim Schreiben begleitet! Wen lässt du in deinen Schreibraum und wen nicht.
Und dann kannst du dir auch Testleser:innen aussuchen. Und da sei bitte vorsichtig und klug, denn unter Umständen sind deine besten Freund:innen nicht die Leser:innen, die du brauchst. Sie haben vielleicht keine Ahnung von Texten und loben dich nur über den grünen Klee. Das ist nicht das, was hilfreich ist. Oder aber, wenn du Pech hast, haben sie noch irgendein Hühnchen mit dir zu rupfen und dann machen sie manchmal merkwürdige Bemerkungen. Ich weiß, wovor ich da rede.

Also, was ist eine gute Testleserin, ein guter Testleser? Ein guter Testlesender ist zuerst jemand, der deine Art von Literatur gerne liest. Es hilft dir überhaupt nichts, jemanden zu fragen, ob er deinen Roman liest, wenn du zum Beispiel Horror schreibst, und die Person kann mit Horror überhaupt nichts anfangen. Das ist keine gute Idee. Das wird deinem Text nicht gerecht werden. Das kann nur schiefgehen.
Es sollte im Idealfall jemand sein, der Ahnung von Texten hat und der sieht, wo der Haken ist. Aber du kannst, wenn du so jemanden nicht findest, dem auch entgegenwirken. Du kannst dir Fragen überlegen, wie du das Testlesen ein wenig steuerst: Ist es logisch, was da oder dort passiert? Kannst du diese oder jene Handlung nachvollziehen?
Ich habe dir eine Übersicht zum Download hochgeladen. Du findest wie immer den Link in den Shownotes, wie du Testleser:innen auswählen und auch anleiten kannst. Und ich glaube, das kann dir ganz viel Frust und Ärger ersparen. Und ich glaube, dass es gut ist, deinen Text eine geraume Zeit lang vor anderen Augen zu schützen. Dass er wachsen kann, dass du ausprobieren kannst, dass du sehen kannst, wohin es dich führt. Aber das muss natürlich im Endeffekt eine jede und ein jeder selbst wissen.

Die Erkenntnis für heute: Es ist gut, wenn du dich davon verabschiedest, für alle schreiben zu wollen. Und es ist gut, wenn du weißt, wer da unbewusst vielleicht bei dir mitliest, wenn du dich gehemmt oder blockiert fühlst. Diese Stimmen sind ja nur in deinem Kopf, wie auch deine inneren Kritiker, aber sie können doch sehr machtvoll sein.

Das war es schon wieder für heute. Ich würde mich freuen, wenn du das nächste Mal wieder dabei bist.

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Alles Liebe und bis zum nächsten Mal. Ich wünsche dir ein gutes Schreiben.

Deine Ulrike Hartmann