Wie schreibt … Gil Ribeiro alias Holger Karsten Schmidt?

Zehn Fragen, ein Interview. In dieser Reihe erzählen Autor*innen, wie sie ihre Bücher schreiben.

Dein bester Rat fürs Schreiben?

Leidenschaft. Halbherzigkeit ist tödlich.

– Holger Karsten Schmidt

Foto © privat

Holger Karsten Schmidt kenne ich aus dem Montségur-Autorenforum und schätze ihn sehr. Nicht nur, weil der dreifache Grimme-Preisträger seit vielen Jahren einer der erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands ist. Oder weil er unter dem Pseudonym Gil Ribeiro die Bestseller-Reihe Lost in Fuseta geschrieben hat. Sondern auch, weil er mit ganzer Seele Autor ist. Und ungemein kollegial. Ich freue mich sehr, dass er meine Fragen beantwortet.


Lieber Holger, warum schreibst du Bücher?

Weil ich mein Bedürfnis, Geschichten zu erzählen, zum Beruf machen konnte.

Was ist die größte Herausforderung für dich?

Deadlines.

Was macht dir am meisten Spaß?

Am meisten macht es mir Spaß, mit dem Füllfederhalter vor dem blanken Papier zu sitzen und zu planen. Plot, Figuren, Szeneneinfälle, Dialoge. Das ist für mich die schönste Phase.

Es ist für mich Herausforderung (die mag ich grundsätzlich) und Vergnügen zugleich, wie ein Architekt einen Plot zu entwickeln, einen Rahmen, einen komplexen Bau, der in vielerlei Hinsicht später funktionieren muss. Der sich nirgends Pfusch oder mangelnde Hingabe erlaubt. Figuren zu entwerfen, die irgendwann im Schreibprozess ihr Eigenleben entwickeln und mir neue Türen aufstoßen. Sowohl im Plot, der biegsam bleiben muss, um ihren Bedürfnissen Rechnung tragen zu können. Als auch Türen für mich selbst – wie sieht ein Autist wie Leander Lost die Welt? Wie anders als ich bewertet und gewichtet er eine Situation, einen Satz, eine Geste, ein Gefühl, einen Geruch? Welche Antwort hat er auf den Sinn des Lebens und welche ich? Und hat er vielleicht die bessere / schlauere / befriedigendere Sicht auf Dinge? 

Wenn Handlungsfäden und Charakterbögen, die man haarklein geplant hat, nach und nach aufgehen, wenn alle Fäden zusammenführen, wenn die Figuren sich gehorchen und nicht dem Plot, und sich alles immer dichter verwebt und zu einem schlüssigen und homogenen Ganzen vermengt, dann kann das für mich sehr erfüllend sein.

Für wen schreibst du?

Für mich.

Wo schreibst du am liebsten?

Zuhause.

Planst du oder schreibst du aus dem Bauch heraus?

Beides. Hauptberuflich schreibe ich Drehbücher und in der Fernsehbranche ist es als Bauchschreiber vermutlich schwer, in einem engen Zeitfenster ein schlüssiges Exposé zu entwerfen. Das und mein Studium an der Filmakademie hat mich das Plotten als Einzelner aber auch als Gruppe gelehrt. 

Es gibt in der Filmbranche in der Regel nicht die Zeit, ein halbes Jahr aus dem Bauch irgendwohin zu schreiben und dann vielleicht festzustellen, dass alles nicht aufgeht und man ganz anders hätte anfangen müssen o. ä.. Da muss ein Exposé in zwei oder drei Wochen stehen, das Hand und Fuß hat und unbequemen dramaturgischen Nachfragen standhalten kann, denn nur dann gibt es einen Drehbuchauftrag.

Allerdings konzipiere ich den Plot so flexibel und auch weitmaschig oder mit doppeltem Boden, dass ich jederzeit im Schreibprozess dem Bauch den Vorrang geben kann und der Plot sich anpassen muss. 

Wann weißt du, dass eine Textstelle gelungen ist?

Objektiv weiß ich das nie. Wenn ich nichts mehr daran zu verbessern habe und mein Bauch sein Okay gibt, dann ist es auch für mich okay.

Dein bester Rat fürs Schreiben?

Leidenschaft. Halbherzigkeit ist tödlich.

Und: Die Güte eines Stoffes korreliert immer auch mit der Güte des Antagonisten.

Was gibt dir Kraft beim Schreiben?

Die brauche ich nicht. Schreiben ist für mich wie das Atmen – ein Bedürfnis.

Welches Buchprojekt liegt dir gerade oder als nächstes am Herzen?

Der Arbeitstitel ist „Finsteres Herz – Die Toten von Marnow 2“. 


Vielen Dank für das Interview, Holger.

Holger Karsten Schmidt, geboren 1965 in Hamburg, ist dreifacher Grimme-Preisträger und seit vielen Jahren einer der erfolgreichsten Drehbuchautoren Deutschlands. Der Mehrteiler »Gladbeck«, für den er das Drehbuch geschrieben hat, wurde mit dem Bayerischen und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. 2011 erschien sein Mittelalterthriller Isenhart bei Kiepenheuer & Witsch, ab 2017 folgte unter dem Pseudonym Gil Ribeiro der erste Band der Lost in Fuseta-Krimireihe, die in Portugal spielt. Anfang 2020 erschien sein Kriminalroman Die Toten von Marnow, der im Frühjahr 2021 als gleichnamige Mini-Serie in der ARD für Furore gesorgt hat. Die ARD-Reihe »Nord bei Nordwest« hat Millionen Fans. Holger Karsten Schmidt lebt und arbeitet bei Stuttgart.


2 Kommentare

  1. Danke für die interessanten Fragen und die spannenden Antworten! Ich finde es immer sehr inspirierend, von Schreibenden zu lesen, die so richtig mit Herzblut dabei sind.
    Viele Grüße
    Maike

  2. Ja, das ist wirklich inspirierend, nicht wahr? Wir schreiben alle so unterschiedlich. Ich möchte hier in nächster Zeit Autor*innen aus ganz verschiedenen Richtungen vorstellen, und ich freue mich sehr über das Echo.
    Im Montségur-Autorenforum sind im öffentlichen Bereich wegen dieses Interviews hier mit Holger lebhafte Diskussionen entbrannt:
    https://autorenforum.montsegur.de/index.php?/topic/25000-interview-wie-schreibt-gil-ribeiro-alias-holger-karsten-schmidt/
    und vor allem über die Rolle des Antagonisten:
    https://autorenforum.montsegur.de/index.php?/topic/25003-wer-ist-der-antagonist-in-…/

    Danke dir, liebe Maike, für das schöne Feedback!
    Liebe Grüße
    Ulrike

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